MISTRAL
HOHE WELLEN
TIEFBLAUER UND WOLKENLOSER HIMMEL
FASZINIERENDE GESCHICHTE DES
„ALBURU DI LI BANDERI“
Dies war ein Tag des Mistrals, er sorgte mit viel Anlauf für hohe Wellen bei einem tiefblauen und wolkenlosen Himmel. Der Mistral gehört zu den Fallwinden und hat seinen Ursprung im Rhonetal. Er weht zunächst aus dem Golf de Lyon Richtung Süden auf das Mittelmeer und dreht dann nach West. Der Mistral ist auf Sardinien der vorherrschende und dominanteste Wind. Er wird auch der „Meisterwind“ genannt (lat. Magistral – Meister). Bezeichnend für den Mistral ist klarer, wolkenloser Himmel, da er aus kalter maritimer Polarluft entsteht. Nach einer alten (aber nicht ganz richtigen) Bauernregel bläst der Mistral immer drei, sechs oder neun Tage. Ganz besonders vom Mistral betroffen ist die Straße von Bonifacio, die 12km-breite Meerenge zwischen Nordsardinien und Korsika. Hier können sich dann auch hohe Wellen aufbauen. Eine Querung der Straße von Bonifacio ist dann oft für die Schifffahrt. nicht mehr möglich. Auch die Fähre von Santa Teresa Gallura nach Bonifacio stellt zu diesen Zeiten oftmals ihren Betrieb ein.
Foto Alburu di li Banderi: ©Sabine Lenbach – viewofdrone
Wir haben heute den Mistral im Hafen von Isola Rossa erlebt und den Tag für eine Klippenwanderung entlang der Costa Rossa (der roten Küste) genutzt. Ein wilder Wanderweg führt vom Strand von Isola Rossa nach Westen bis hin zum Alburu di li Banderi oder auch Albero delle Bandiere. Ein ganz besonderer und hunderte Jahre alter Wacholderbaum am Strand der Spiaggja di Li Fèrruli. Der Wanderweg führt teilweise durch dichte Macchia und teilweise über die mit Felsen übersäten Klippen, sehr nah am Wasser entlang. Schon der Weg ist beeindruckend. Durch die hohen Wellen des Mistrals mussten wir teilweise auch das Wasser durchqueren um nach Li Fèrruli zu gelangen.
Große Quallen wurden durch die Wellen auf den Sand geworfen und die Gischt produzierte einen salzigen Wassernebel bis weit ins Land hinein.
Foto Qualle Spiaggja Li Fèruli: ©Sabine Lenbach – viewofdrone
Der Alburu di li Banderi ist nicht nur ein Naturdenkmal, er hat auch eine traurige, faszinierende Geschichte, die am 18. März 1918, während des ersten Weltkrieges begann. Der Jahrhunderte alte Baum steht bis heute majestätisch am Strand von Li Fèruli und trotzt jedem Wetter. Er ist das Zeugnis einer nicht allzu fernen Vergangenheit.
Während des ersten Weltkrieges griffen Kaiserliche U-Boote, ausgehend von Österreich (Hafen Pola), Schiffe der Entente an. In der Nacht vom 17. auf den 18. März 1918 wurde der Dampfer „Postale Tripoli“ (Postschiff, das zwischen Sardinien und dem Festland verkehrte) auf der Höhe von Golfo Arranci von einer deutschen U-Boot-Granate getroffen und sank. Für 365 Menschen gab es keine Rettung, wenige überlebten. Auf dem Schiff befanden sich unter anderen auch Mitglieder der Sassari-Brigarde. Es handelte sich bei der Brigarde um ein sardisches Sondereinsatzkommando (Eliteformation) der italienischen Armee mit dem Ziel, an die Alpenfront zu gelangen.
Die starken Meeresströmungen trugen ca. 30 Leichen durch die Straße von Bonifacio, um das Capo Testa herum und schwemmten diese dann an der Spiaggja di Li Fèrruli an den Strand. Ein Team Freiwilliger der Aggius Mutual Aid haben die Leichen geborgen. Alle Leichen wurden unter dem majestätischen Wacholderbaum abgelegt und dort mit Jutesäcken bedeckt. Beerdigt wurden die Toten später auf dem Friedhof in Trinità d’Àgultu. Zum Gedenken wurden Fahnen und Wimpel unter dem Wacholder platziert, der seither den Namen „Alburu di li Banderi“ oder „Albero delle Bandiere“ trägt.
In den 1940er Jahren pilgerten die Menschen zu diesem außergewöhnlichen Wacholder, er gilt als heiliger Baum. Die Pilger berührten die Wimpel, bevor sie den Ort wieder verließen. Heute wird jedes Jahr eine Gedenkfeier im Schatten dieses mächtigen Wacholders abgehalten, der zum Symbol einer traurigen Geschichte geworden ist.
Das Wrack der „Postale Tripoli“ wurde 2014 (also 96 Jahre später) bei einem Projekt der italienischen Marine von einem Minenräumboot entdeckt. Es befindet sich etwa 20 sm vor Capo Figari (Golfo Arranci) auf einer Tiefe von ca. 1000 Meter.